"Chef, ich bin in zwei Stunden wieder da, ich geh' malen." Wenn der Vorgesetzte auf diesen Satz mit "Alles klar, bis später" antwortet, kann man sich nur schwer über mangelhafte Work - Life - Balance beschweren. Da meine Firma mitten in der schönsten Pampa liegt, stehe ich fünf Minuten später (wieder einmal) vor einer stattlichen Birke.
Es ist noch ziemlich kalt, doch die aufgehende Morgensonne wird meine Finger bald wieder auftauen. Mir fallen die beiden Bäume ins Auge, der eine dick, der andere dünn. Sie neigen sich leicht einander zu, und wenn man zwischen ihnen hindurch sieht, schweift der Blick über letzte Reste von Schnee zu den entfernten Hügeln.
Ich definiere als erstes die groben Konturen der Schatten. Man erkennt Texturen vor allem an der Licht - Schattengrenze, deshalb achte ich darauf, hier die markanten Formen der knorrigen Rinde korrekt darzustellen.
Hier ist meine Palette. Von links nach rechts verwende ich folgende Farben: Cadmium yellow light, light ochre, burnt siena, raw umber, cyan, prussian blue, titanium white. Ich verwende richtig viel Farbe, weil das Mischen und Malen mir dann viel mehr Spaß macht und ich die Optik von satter, frischer Ölfarbe einfach toll finde.
Während ich und das Wesen auf meinem Kopf noch mit Selfie - Schießen beschäftigt sind, malt mein Schatten fleißig weiter. Schließlich muss ich zum 10 Uhr - Meeting wieder zurück sein!
Mir gefällt an der Szene vor Allem der Kontrast von warmen und kühlen Farben. Vor den bläulichen Schneeresten und Hügeln kommen die hellen Brauntöne der Rinde und die Strohhalme besonders gut zur Geltung.
Ich bemühe mich, diese Farben möglichst genau zu treffen, was gar nicht so einfach ist bei dieser direkten Sonneneinstrahlung. Vor allem die Farben im Schatten sind schwer einzuschätzen, da sogar das tiefste Schwarz sehr hell ist wenn es voll beleuchtet ist. Viele Maler drehen ihre Leinwand so dass das Bild im Schatten ist. Dann sind aber natürlich die Farben des Lichts viel dunkler und weniger intensiv.
Hier ist das fertige Bild. Jetzt muss ich auch echt los, sonst ändert der Chef vielleicht doch noch seine Meinung zu dem Ganzen.
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