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Geschichten des Wassers [Teil 2]

Während auf meinem Bild der Wertach die ersten Konturen entstehen, weicht die Kühle des Morgens und die Sonne scheint auf das Bild. Ich skizziere grob einige Grasflächen am Ufer und widme mich dann dem Wasser.

 

 

Statt jede kleine Welle einzeln zu malen, versuche ich den Charakter des plätschernden Wassers und des hellen Lichts einzufangen. Dazu lade ich den Pinsel dick mit Farben auf und setze gezielte, separate Striche, die ich dann auch nicht mehr verändere. Manchmal ziehe ich den Pinsel seitlich übers Bild, um einen unregelmäßigen Farbauftrag zu erreichen. Hier ist ein Detail der Pinselführung:

 

 

Beim Betrachten von Monet oder anderen Impressionisten bin ich immer wieder fasziniert, wie abstrakt ihre Bilder aus der Nähe gesehen sind. Da werden scheinbar wahllos irgendwelche Farben auf die Leinwand geschmissen! Tritt man zwei Schritte zurück, fügt sich – tadaaa! –  alles wie durch einen Zaubertrick zusammen und es öffnet sich der Blick in die Weite einer Landschaft. 

 

 

Hier ist das fertige Bild. Man kann sehen dass ich einige Dinge verändert habe im Vergleich zur Realität. Die Granittreppe lasse ich weg, sie hat gerade, statische Linien, die nicht mit den anderen geschwungenen Formen harmonieren. Die Tannen habe ich vereinfacht und die Bäume im Hintergrund heller und weniger intensiv gemacht. Dadurch treten sie im Vergleich zu den vorderen Tannen stärker zurück und ziehen weniger Aufmerksamkeit auf sich.

Diese Maßnahmen machen das Bild einfacher und ruhiger. Unser Sehapparat ist darauf programmiert, immer auf die größten Kontraste (hell – dunkel) zu fokussieren. Je mehr dieser Kontraste ich auf der Bildfläche verteile, desto wirrer springt unser Auge herum.  Ein krasses Beispiel hierfür sind die Bilder Jackson Pollocks.

 

Jackson Pollock, "Alchemy" (Quelle: www.guggenheim.org)

 

Überall sind Kontraste, alles ist hektisch und „laut“. Diese Bilder sind faszinierend und sehr energetisch, das Auge springt wild und ruhelos herum. Für mein Bild ist das nicht gerade wünschenswert. Ich möchte zwar die Frische und Lebendigkeit des Wassers vermitteln, es soll aber kein verwirrender optischer Irrgarten  sein. Deshalb ist es wichtig, nicht zu viele starke Kontraste und konkurrierende Elemente zu haben.

 

Während ich die letzten Striche setze, fragt mich eine ältere Passantin: „Haben Sie den Fluss gemalt?“. Ehe ich antworten kann, fügt sie stolz hinzu: „Das hab‘ ich schon von da hinten erkannt!“. Kann man sich eine bessere Kritik vorstellen...?

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